Wie beschreibe ich den geschmacklichen Unterschied von Schokoladen und Schokoladenerzeugnissen? Wodurch werden Pralinen haltbar gemacht? Mit welchen Aromen kann ich Schokolade verpaaren und wie schmeckt das Ergebnis?
Mit solchen Fragen beschäftigen sich angehende Schokoladen-Sommeliers an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim e.V. Aufgrund sehr guter Erfahrungen mit der Ausbildung zum Brot-Sommelier bietet die Akademie seit 2017 in Kooperation mit der Chocolate Academy in Köln die weltweit einzige Fortbildung zum Schokoladen-Sommelier an. National und international renommierte Dozenten vermitteln alle notwendigen Kenntnisse.
Ausgebildet wurden bisher 36 Fachleute aus Deutschland und Österreich. Die Schulungen beginnen jeweils im März und nehmen ein halbes Jahr in Anspruch. Plätze sind begehrt, aber rar. „Der nächste Kurs ist mit 14 Teilnehmern bereits ausgebucht“, erklärt Matthias Frész. Der Fachlehrer an der Akademie im baden-württembergischen Weinheim verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz in Sachen Schokolade, hat 2018 selber die Zusatzqualifikation abgeschlossen und ist seitdem auch für die Ausbildung federführend verantwortlich.
Jede Schokolade ist einzigartig.
Ein wesentlicher Bestandteil der Fortbildung widmet sich daher der sogenannten Schokoladensensorik. Durch umfangreiche Verkostungen lernen die Absolventen, zwischen Grundgeschmack und zusätzlichen Aromen zu unterscheiden. „Die Vermittlung von Kenntnissen in diesem Bereich stellt so etwas wie das Herzstück der Ausbildung dar. Was ist überhaupt Geschmack und wie nehmen wir ihn wahr? Wie kann ich das, was ich schmecke, lernen zu beschreiben? Was sind typische Aromen, die ich in Schokolade wahrnehmen kann? Wie kann ich auch gleichbleibende Qualität von Schokolade erkennen? Es geht im Verlauf des Trainings auch darum, ein Geschmacksgedächtnis zu bilden, auf das die Teilnehmer künftige Schokoladenwahrnehmungen rückbeziehen und bewerten lernen“, erklärt Antonia Majunke, Leiterin der Chocolate Academy in Köln.
Trainiert werden auch Techniken des Food Pairings. „Die Teilnehmer sollen dazu angeregt werden, mit freiem Geist zu erkunden, welche Bestandteile miteinander harmonieren und welche weniger“, so Matthias Frész. Ein weiteres wichtiges Instrument ist das Storytelling. „Dies funktioniert wie beim Wein-Sommelier auch bei Schokolade“, erklärt der 37-jährige Schoko-Experte. „Es wird ein entsprechendes Vokabular erlernt, so dass die künftigen Sommeliers überzeugend Geschmacksnuancen und Kenntnisse über edle Schokoladen auch gegenüber anderen, etwa ihren Kunden, vermitteln können.“ Interessant: Bei den Schokoladen-Sommeliers sind Frauen in der Überzahl. „Das liegt wohl daran, dass die Damen in der Regel lieber filigran arbeiten als die Herren“, vermutet Matthias Frész schmunzelnd.
Die Fortbildung ist in fünf jeweils dreitägige Module unterteilt. Zwei eher theoretische Module finden in Weinheim statt, zwei weitere ergänzen das Angebot mit praktischen Übungen an der Chocolate Academy in Köln. Den Abschluss bildet das fünfte Prüfungsmodul in Weinheim.
Hinzu kommen die Lernphasen. „Auf eineinhalb Monate intensiver Beschäftigung mit dem Thema Schokolade sollten sich die Absolventen einstellen“, erklärt Matthias Frész, der die Prüfung vom Aufwand her durchaus mit einer Bachelorarbeit vergleicht. Voraussetzung für die Zulassung ist ein Meisterbrief als Bäcker oder Konditor. Die angehenden Schokoladen-Sommeliers verfügen bereits über Vorkenntnisse und Praxiserfahrung in der Verarbeitung und Herstellung von Schokoladenprodukten.
Die Möglichkeiten, bis zum Prüfungstermin eigene Geschmackskreationen zu entwickeln, sind quasi grenzenlos. Eine Absolventin überzeugte die Prüfer in ihrer Projektarbeit etwa mit Schokoladengummibonbons. „Die Beißwahrnehmung entsprach der eines Gummibärchens und wurde gekonnt mit edler Schokolade kombiniert“, erzählt Antonia Majunke, die zum Prüfungskomitee gehört. Eine weitere Kurs-Teilnehmerin wagte ein wildes Flavour-Pairing mit japanischen Aromen. Sie mixte Schoko-Pralinen mit Miso- Fischsaucen-Aroma. Heute stellt sie Pralinen für die Sternegastronomie her. Ähnlich ungewöhnlich war eine Ganache aus Schokolade und Kochkäse, die laut Matthias Frész überraschenderweise perfekt harmonierte. „Wichtig ist, dass wir alle die Liebe zur Schokolade teilen und andere mit unserer Begeisterung anstecken“, resümiert Antonia Majunke. Und Matthias Frész ergänzt: „Sehen, riechen, fühlen, schmecken. Dies ist das immerwährende Credo.“
Doch ganz gleich, wie unkonventionell die Kompositionen sind – bei der Prüfung kommt es vor allem auch auf die Präsentation an. Darum gibt es neben praktischen Übungen auch ganz viel Theoretisches zu büffeln: Kommunikationswissenschaft, Marketing, Verpackungsdesign, Produktplatzierung, Markenbildung.
Nach bestandener Prüfung werden die Schoko-Fachleute für Verkostungen gebucht, sind auf Messen unterwegs und bieten ihre Kreationen in den Bäckereien und Konditoreien an, in denen sie tätig sind.
Wichtig ist, dass wir alle die Liebe zur Schokolade teilen ...
Achten Sie doch beim nächsten Besuch in der Innungsbäckerei Ihres Vertrauens darauf, ob das Sortiment um selbstgemachte Pralinen oder aufwendige Schokofiguren ergänzt wurde. Vielleicht hat ja jemand aus dem Team eine Ausbildung zum Schokoladen-Sommelier absolviert.