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Mutterkorn - Die Epidemie aus dem Getreidefeld


Das neuartige Corona-Virus bestimmt unseren Alltag derzeit wie kaum etwas anderes und erinnert die moderne Gesellschaft an die Verletzlichkeit ihrer Gesundheit. Vergleiche mit früheren Epidemien wie der Spanischen Grippe vor rund 100 Jahren oder der Pest im Mittelalter werden gezogen.

Viele Jahrhunderte und bis ins 20. Jahrhundert hinein ging eine vor allem in Notzeiten wiederkehrende Gefahr auch von einem Pilz aus, der Brotgetreide, insbesondere Roggen, befallen kann. Obwohl bereits Ende des 16. Jahrhunderts die Wirkung des Mutterkorns erkannt wurde, fielen im Laufe der Zeit dem Gift dieses Pilzes wahrscheinlich Hunderttausende zum Opfer.

Dämonen

Dämonen (Ausschnitt), aus: Matthias Grünewald, Isenheimer Altar, 1516

So stellte sich 1516 der Maler Matthias Grünewald das Mutterkorn vor. Damals wusste man nichts von dem gefährlichen Pilz im Getreide und dachte, böse Dämonen würden die Menschen vergiften.

Kupferstich

Anonym, Mutterkorn, Kupferstich koloriert, 1832

Ab Ende des 17. Jahrhunderts wurde die toxische Wirkung des bläulich-schwarzen Mutterkorns erkannt und immer mehr Mühlen siebten ihr Getreide vor dem Mahlen. In diesem Kupferstich wurde die Entstehung des Korns an der Ähre festgehalten.

Das Mutterkorn

Der Pilz sieht aus wie ein übergroßes dunkles Korn und wird Mutterkorn genannt. Es entsteht an den Ähren. Wird es zusammen mit den Getreidekörnern zu Mehl vermahlen und zu Brot gebacken, kann seine toxische Wirkung gefährlich werden. Das geschah in früheren Zeiten vor allem dann, wenn die Ernte schlecht war und man aus Not möglichst alle Körner verwertete.

Giftig sind die sogenannten Alkaloide, die der Mutterkornpilz produziert. Sie lösen die Krankheit Ergotismus aus, deren Symptome „höllische“ Schmerzen, unkontrollierte Zuckungen und Halluzinationen sind, teils faulen sogar Hände und Füße ab. Nur fünf bis zehn Gramm frisches Mutterkorn können für einen Erwachsenen tödlich sein, auch eine geringere Dosis kann für Symptome und teils irreversible Gesundheitsschäden sorgen. Der Backprozess macht die Giftstoffe dabei nicht unschädlich, anders als dies bei Bakterien oder Viren der Fall ist.

Im Mittelalter waren das Mutterkorn und seine Wirkung unbekannt. Die Symptome der Vergifteten wurden als teuflisches Wirken gedeutet, dem nur göttliche Kraft etwas entgegensetzen konnte. So gründete sich im 11. Jahrhundert ein christlicher Pflege-Orden, der es sich zur Aufgabe machte, speziell diese Kranken zu pflegen. Benannt war er nach dem Heiligen Antonius, dem in der Legende ein Rabe jeden Morgen ein Brot vom Himmel brachte. Die Antoniter pflegten die Kranken mit kostbarem Weizenbrot und Wein, der mit Heilkräutern versetzt war. Weizen war früher teuer, weil es ein anspruchsvolles Getreide ist und ohne die moderne Landwirtschaft nur auf besonders guten Böden wuchs. Weizen wird zudem selten von Mutterkorn befallen. Zu diesen symbolträchtigen Heilmitteln Brot und Wein kam in den Spitälern die Kunst: Altarbilder, die den Kranken die Heilsgeschichte vor Augen führten, boten Trost.

Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist der bekannte Isenheimer Altar im Elsass. Die Isenheimer Antoniter hatten ihn im Jahre 1512 bei dem Künstler Matthias Grünewald in Auftrag gegeben. Er zeigt auf einer der hölzernen Tafeln einen Mutterkorn-Kranken mit verkrüppeltem Armstumpf und eitrigen Wunden. Nicht weit entfernt von ihm ist der heilige Antonius abgebildet, der von scheußlichen Dämonen gequält wird. Spiegeln sich hier die Wahnvorstellungen eines Kranken? Auf dem Altarbild wird der Kampf zwischen Leben und Tod und Himmel und Hölle entschieden: Über allem thront Jesus Christus, der Auferstandene, der Tod und Teufel besiegt hat.

Auch für weniger religiöse stellt Mutterkorn heutzutage kaum eine Gefahr dar. Dank angezüchteter Resilienzen beim Getreide wird der Pilzbefall bereits auf dem Feld minimiert. Auch die moderne Mühlentechnik schützt: Mit Farbauslesern werden Verunreinigungen des Getreides zuverlässig erkannt und nicht vermahlen. Zusätzlich werden Getreideprodukte in Laboren regelmäßig untersucht. Das Ergebnis: Am Gift des Mutterkorns muss niemand mehr Höllenqualen leiden. Backwaren sind sichere Lebensmittel.

Der Artikel "Mutterkorn - Die Epidemie aus dem Getreidefeld" erschien am 18.5.2020 auf www.innungsbaecker.de.

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