Technikum heißt das Gebäude mit den drei Lehrbackstuben in der Bundesakademie des Bäckerhandwerks in Weinheim ganz kühl und nüchtern. Die großen, lichtdurchfluteten Räume sind ausgestattet mit großen Backöfen und technischen Geräten. In einer Ecke jeder Backstube befindet sich ein Auditorium mit mehreren Stuhlreihen. Hier nehmen für mehrere Wochen im Jahr Bäcker aus aller Welt Platz, die extra nach Weinheim reisen, um sich von den Meistern im „German Baking“ unterrichten zu lassen. Denn: Deutsche Backwaren sind im Trend.
Doch warum legt etwa ein Neuseeländer rund 19.000 Kilometer zurück, um zu lernen, wie man einen richtigen Sauerteig macht? Bernd Kütscher, Direktor der Bundesakademie Weinheim, erklärt die Faszination für deutsche Backwaren so: „Deutschland ist Weltmeister im Brotbacken. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine solche Vielfalt wie bei uns. Zudem gilt deutsches Brot oftmals als besonders hochwertig. Die hohe Qualität der Backwaren sowie die typischen Eigenschaften wie z. B. der mild-säuerliche Geschmack, gute Frischhaltung usw. haben sich weltweit herumgesprochen.“
Der Ruf des deutschen Brotes eilt ihm also voraus und zieht so Bäcker aus Asien, Afrika, Amerika, Australien und Europa nach Weinheim. Schon seit vier Jahrzehnten kommen Gruppen von ausländischen Partnerschulen, um von den Weinheimer Profis zu lernen. Im Jahr 2010 wurde aufgrund der steigenden Nachfrage dann die „International Baking Academy“ gegründet und im Zuge dessen auch das „Diploma in German Baking“ ins Leben gerufen. Von da an konnten sich pro Kurs 18 Bäcker aus aller Welt in wenigen Wochen die wichtigsten Rezepturen der Deutschen Brotkultur aneignen. Vom Hefezopf bis Sauerteigbrot ist alles dabei! Letzteres ist auch das Beliebteste bei der internationalen Bäckerschaft – und auch das, was die meisten Schwierigkeiten verursacht: Das Berechnen des Sauerteigs und der Umgang hiermit fällt ihnen anfangs häufig schwer, so Kütscher.
Ein Teig erobert die Welt
Ist der Kurs gemeistert, bekommt jeder Kursteilnehmer ein Stück Sauerteig-Anstellgut mit auf den Weg. Doch einen Sauerteig in Deutschland zu führen, ist nicht das Gleiche, wie ihn in Malaysia, Chile oder Kenia zu meistern. Der Erfolg des Bäckers ist davon abhängig, ob es Roggenmehl in dem jeweiligen Land gibt und wenn ja, in welcher Qualität. „Häufig erreichen uns Rückfragen bezüglich Teigführungen, zuweilen sogar Fotos mit Brotfehlern. Nicht selten sind die unterschiedlichen Rohstoffqualitäten die größte Herausforderung bei der Umsetzung“, so Bernd Kütscher. Doch auch viele positive Rückmeldungen erreichen die Akademie: von zufriedenen Bäckern mit begeisterten Kunden und dem entsprechenden Erfolg.
Doch die Kursteilnehmer entdecken in ihrer Zeit in Weinheim nicht nur die deutsche Backkunst. Sie kommen auch in den Genuss deutscher Traditionen, wie etwa des Karnevals: Ein Teilnehmer kam in einem quietschgelben Kükenkostüm in das Seminar, ein anderer im Hundekostüm zur Abschiedsfeier, erzählt der Akademie-Leiter. Die multikulturelle Atmosphäre regt auch den ein oder anderen an, den Teilnehmern klassische Tänze oder Bräuche aus ihrem Heimatland näherzubringen. So entsteht ein reger Austausch zwischen den Kulturen – und das alles rund ums deutsche Brot.
Die Akademie Weinheim ist mehr als nur eine Ausbildungsstätte: Sie steht dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks in fachlichen Fragen beratend und unterstützend zur Seite und ist Sitz des IQBack – des Instituts für Qualitätssicherung von Backwaren – sowie der 12-köpfigen Bäckernationalmannschaft. Außerdem und betreut sie das Brotregister, in dem alle deutschen Brotspezialitäten gesammelt werden.