Für uns ist es selbstverständlich, voller Genuss in eine Scheibe frisches Brot oder ein Brötchen zu beißen. Doch von solchen Köstlichkeiten konnten die Menschen vor 200 Jahren nur träumen. Der Grund dafür war ein gewaltiger Vulkanausbruch in Indonesien am 10. April 1815. Tonnen von Asche- und Staubpartikel verdunkelten weltweit den Himmel. Die Durchschnittstemperatur sank um 3 Grad. Ernten verdarben, langfristige Hungersnöte waren die Folge. Durch die klimatischen Veränderungen ging das Jahr 1816 auch in Europa als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein.
In den damaligen Zeiten konnte sich glücklich schätzen, wer ein so genanntes Hungerbrötchen in die Hände und in den Mund bekam. Allerdings war dies aus heutiger Sicht bei weitem kein Genuss. „Der Teig wurde mit allem gestreckt, was sich anbot. Holz, Stroh- und Spelzfasern zum Beispiel“, erklärt Professor Bernd Hitzmann von der Universität Hohenheim. „Dadurch bildete die Krume eine kaugummiartige Masse, an der Kruste biss man sich fast die Zähne aus. Die Fasern machten zwar satt, aber sie enthielten keinerlei Vitamine und Nährstoffe“. Anlässlich der Jubiläumsfeier der Universität im Februar dieses Jahres stellte die Bäckerei Treiber originalgetreue Brötchen aus jenen Notzeiten her. Zwei echte Exemplare aus dem Jahr 1817 zeigt ein Schaukasten aus dem Bestand der Universität. Dazu die Inschrift: „Anno 1817 haben diese 2 Creuzer Weken 2 ½ Loth gewogen“.
Um die Bevölkerung vor weiteren Hungersnöten zu bewahren, gründeten König Wilhelm von Württemberg und Königin Katharina zu Forschungszwecken rund um die Nahrungsmittelproduktion am 20. November 1818 in Hohenheim die „Landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt“ – die Vorläuferin der heutigen Universität. Seitdem treiben Agrar- und Lebensmittelwissenschaftler Getreideanbau und -züchtung voran, verbessern Qualität und Backtechnik und verhelfen alten Getreidearten zu einer Renaissance. Dabei geht es heute nicht mehr darum, Hungrige satt, sondern satten Kunden gutes Brot schmackhaft zu machen.
Wie sich die Backqualität und -kultur in den vergangenen 200 Jahren entwickelt hat, verdeutlicht exemplarisch das Hohenheimer Jubiläumsbrot. Dieses handwerklich hergestellte Vollkornbrot ist in diesem Jahr immer montags, mittwochs und freitags in den 32 Filialen der Traditions- und Innungsbäckerei Treiber erhältlich. Das Brot ist kräftig, feinwürzig und mit saftiger Krume - ein gehaltvolles Sinnbild dafür, dass die Menschen hierzulande buchstäblich nicht mehr am Hungerbrot nagen müssen.