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Faszination Brot als Ausbildung


Er ist der geistige Vater der Brot-Sommeliers: Bernd Kütscher leitet als Direktor die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim und bildet seit zwei Jahren Brot-Sommeliers aus, die nach ihrer Ausbildung vollen Einsatz für Brotgenuss, -vielfalt und -kultur leisten und positiv brotverrückt sind. Das muss man auch ein wenig sein, denn nur 480 Stunden Ausbildung, 60 Seiten Abschlussarbeit und ein eigenes Brot führen zum Titel.

bernd kütscher

Welche Ideen und Einflüsse haben Sie in die Konzepterstellung zur Brot-Sommelier-Ausbildung einfließen lassen, und wie viel Zeit ist zwischen der Idee und der ersten Anmeldung verstrichen?

Bernd Kütscher

Brot ist das Lebensmittel Nummer eins in Deutschland und in den meisten anderen Ländern der Welt. Sogar asiatische Länder wie Japan werden zunehmend vom Reisland zum Brotland. Brot ernährt die Menschen und ist daher ein ganz kostbares Kulturgut. Eine Tatsache, die ebenso wie der unglaubliche Wissensschatz zu Brot oft in Vergessenheit gerät. Um das zu verhindern, haben wir die Ausbildung zum Geprüften Brot-Sommelier entwickelt. Von der ersten konkreten Idee bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir die ersten 13 Brot-Sommeliers beglückwünschen konnten, sind dabei rund fünf Jahre vergangen.

Gab es innerhalb der Branche sofort nur Befürworter der Ausbildung, oder hatten Sie auch kritische Nachfragen zu bedienen?

Bernd Kütscher

Wie bei jeder neuen Idee gab es von Beginn an große Befürworter und Unterstützer meines Konzeptes, aber wir mussten auch viel Überzeugungsarbeit nach innen leisten. Wer verändern will, muss mit Kritik rechnen und damit umgehen können; eine gute Vorbereitung auf entsprechende Fragen und Anmerkungen war daher sinnvoll. Letztlich wurde der Wert der Fortbildung aber schnell von den Meinungsbildnern der backenden Branche erkannt. Zudem ist der Brot-Sommelier konzeptionell als sehr wertige Ausbildung auf hohem Qualitätsniveau aufgesetzt worden; ein Fakt, der von den meisten Kollegen inzwischen anerkannt und sehr geschätzt wird.

Wir verlangen von den Teilnehmern einen großen Einsatz. Nicht nur, dass die Teilnehmer einen Meisterbrief im Bäckerhandwerk oder einen gleichrangigen fachlichen Abschluss nachweisen müssen. Sie müssen in erster Linie positiv brotverrückt sein. Die Ausbildung zieht sich über ein ganzes Jahr, mit monatlichen Präsenzschulungen zu je drei Tagen an der Bundesakademie Weinheim und viel Lernfleiß zu Hause. Die Teilnehmer müssen zudem auch in der Praxis ihren Einsatz leisten und so beispielsweise einen Brotprüfer bei seiner Arbeit begleiten, um sensorische Erfahrungen zu sammeln.

Meine Vision war es, Fachkräfte auszubilden, die dem Lebensmittel Nummer eins wieder zu seinem Wert verhelfen.

Letztlich hat alles mit Brot zu tun. Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, so spielt Brot als ältestes Lebensmittel seit 22.000 Jahren eine tragende Rolle in der Menschheitsgeschichte. Ich möchte, dass Verbraucher wieder mehr über Brot erfahren. Dieses Wissen muss aufbereitet werden, verfügbar sein und durch brotbegeisterte Fachkräfte an den Konsumenten weitergetragen werden. Dies nicht wissenschaftlich-dogmatisch, sondern genussorientiert und mitreißend, was die bislang ausgebildeten Brot-Sommeliers exzellent hinbekommen, wie viele Medienberichte zeigen.

Wie ist die Resonanz bei Verbrauchern? Von welchen Erfahrungen berichten die bisherigen Absolventen?

Bernd Kütscher

Die Resonanz ist enorm, mehr als wir erwartet haben. Ich bin begeistert, welche Energie wir bei den Absolventen freigesetzt und wie sehr die Medien deutschlandweit das Thema aufgegriffen haben. Es gibt bei den Projektarbeiten einige Themen, die sich als sehr medienrelevant herausgestellt haben. So ist Brotsommelier Axel Schmitt in seiner Projektarbeit beispielsweise der Frage nachgegangen, ob eine Musikbeschallung Auswirkungen auf die Sauerteigreifung hat. Er hat damit eine Flut an Veröffentlichungen generiert, eine tolle Sache! Die Nachfrage bezieht sich auf die gesamte Bandbreite der Inhalte, die in der Ausbildung angesprochen werden. Einige Brot-Sommeliers bespielen zudem Themen wie Brot & Wein, Brot & Bier oder Brot & Käse auf Verbraucherveranstaltungen. Im gesamten Thema Food-Pairing – besser gesagt: Bread-Pairing – ist meiner Ansicht nach noch sehr viel Musik drin, und ich freue mich darauf.

Haben Sie auch schon Anfragen von Kollegen aus dem Ausland?

Bernd Kütscher

Das ist bereits von Anfang an der Fall gewesen. Zwei der Absolventen kommen aus Österreich und praktizieren ihr Wissen dort. In den nächsten Jahren werden wir Geprüfte Brot-Sommeliers aus dem gesamten deutschsprachigen Raum ausbilden, so auch aus der Schweiz und Südtirol, zum Teil auch darüber hinaus.

Welches Brot ist Ihr persönliches Lieblingsbrot?

Bernd Kütscher

Hier bin ich Traditionalist und liebe gut gebackene Holzofenbrote, gern kräftig, also mit hohem Roggenanteil und einer Spur mehr Sauerteig, das Ganze gut gebacken und mit einem charaktervollen Aroma. Eine alte deutsche Brotsorte, die mich stets aufs Neue begeistert. Aber natürlich ist die Wahl des passenden Brotes immer anlassbedingt. Zum Grillen darf es dann sehr gerne auch ein weizenbetontes Brot mit mediterranem Einschlag sein. Ich bin hier in der Bundesakademie Weinheim natürlich in einer außerordentlich privilegierten Situation, quasi an der Quelle der kreativen Innovationen, und darf viele neue Brotsorten, die die Kollegen entwickeln und die in unseren Seminaren gezeigt werden, testen. Dabei wage ich mich gerne auf neues geschmackliches Terrain, von Broten mit orientalischen Gewürzen bis zum Sepia-Cranberry-Baguette.

Lieber Herr Kütscher, vielen Dank für das Gespräch. Mehr brotverrückte Brot-Sommeliers und wie sie ihr Können und Wissen einsetzen, finden Sie hier.

Der Artikel "Auf ein Brot mit Bernd Kütscher Brot-Sommeliers" erschien am 24.1.2017 auf www.innungsbaecker.de.

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