Wer herzhaft in ein knuspriges Roggenbrot beißt, ahnt nicht, dass er gerade das Ergebnis von über 12.000 Jahren mühsamer Züchtungsarbeit genießt. Denn ungefähr zu dieser Zeit begannen die Menschen in Mesopotamien damit, Gerste und die ersten Urformen des Weizens anzubauen. Durch die gezielte Auslese von Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften gelang es nach und nach, die Gesundheit der Pflanzen zu verbessern und vor allem die Erntemengen zu steigern. Auch im Ackerbau gab es große Fortschritte, die Verfahren zur Düngung, Bewässerung und Beseitigung des Unkrauts wurden immer ausgefeilter. Ein großer Schritt war das gezielte Kreuzen verschiedener Wildgrasarten, aus denen schließlich die heutigen Getreidearten hervorgingen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kamen chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel auf, die noch einmal für ungeahnte Ertragssprünge sorgten. Auf guten Böden kommen Landwirte heute leicht auf zehn Tonnen Weizen oder Roggen pro Hektar – eine Menge, die ein Bauer vor 12.000 Jahren selbst in guten Jahren wohl nie zu Gesicht bekommen hat.
Er gilt als das deutsche Getreide schlechthin, weil er jahrhundertelang vor allem den armen Bevölkerungsschichten das Mehl fürs Brot lieferte. Dabei stammt Roggen ursprünglich gar nicht aus Mitteleuropa, sondern kam als unerwünschter Begleiter des Weizens aus dem Norden Syriens zu uns. Anfangs hielt man ihn im Weizenfeld sogar für ein Unkraut. Die große Verbreitung verdankt er seiner Anspruchslosigkeit. Denn Roggen garantiert auch auf kargen Böden verlässliche Erträge, braucht wenig Dünger und übersteht selbst strenge Winter problemlos. Heute ist er neben Weizen das wichtigste Brotgetreide. Zum Backen von reinem Roggenbrot gehört allerdings ein Trick: Erst wenn man Sauerteig als Triebmittel zur Lockerung zugibt, wird der Teig backfähig.
Weizen ist der ungekrönte König unter den Getreidearten. Denn der hohe Gehalt an Klebereiweiß (Gluten) verleiht seinem Mehl perfekte Backeigenschaften. Deshalb ist es nicht nur fürs Brotbacken bestens geeignet, sondern auch bei Feingebäck, wie Kuchen, Torten oder Plätzchen erste Wahl. Zudem liefert Weizen sehr hohe Erträge, was ihn zur wichtigsten Getreideart in Deutschland macht. Dafür stellt er jedoch hohe Ansprüche an Boden, Düngung und Wasserversorgung, sodass man ihn vor allem in landwirtschaftlichen Gunstlagen findet. Sorten mit besonders hohen Klebergehalten, sogenannter Hartweizen, sind die Basis für Nudelteig. Der gedeiht am besten im Mittelmeerraum. Seinen Namen verdankt Weizen der Farbe seines Korninhalts, dem strahlenden Weiß des Mehls.
Lange Zeit fristete Dinkel ein Schattendasein, jetzt feiert er ein Comeback in deutschen Bäckereien. Dafür gibt es gute Gründe: Dinkelbrote haben einen intensiven Geschmack und gelten als besonders gesund. Das gilt auch für Grünkern, bei dem es sich um nichts anderes handelt, als um unreif geernteten, getrockneten Dinkel. Auf dem Acker ist Dinkel kaum zu übersehen, dank seiner Größe von bis zu zwei Metern. Da Spelze und Korn fest miteinander verwachsen sind, ist die Aufbereitung der Ernte aufwändig. Deshalb, und wegen seiner recht bescheidenen Erträge, ist Dinkel bei uns heute eine Nischenkultur. Seinen zweiten Namen Schwabenkorn trägt das Getreide immer noch zu Recht. Denn die größten Anbaugebiete liegen wie vor 100 Jahren in Baden-Württemberg.
Hafer macht es einem leicht, zumindest wenn es ums Erkennen geht. Denn als einzige Getreideart unserer Breiten wachsen seine Körner nicht in Ähren, sondern in Rispen. Leider ist Hafer auf deutschen Äckern eine Rarität geworden, da er in Sachen Ertrag nicht mit Roggen und Weizen mithalten kann. Am häufigsten findet man ihn im kühleren norddeutschen Klima, wo er vor allem als hochwertiges Futter für Pferde und Geflügel angebaut wird. Trotz vieler wertvoller Inhaltsstoffe, wie z.B. Beta-Glucanen, die den Cholesterinspiegel senken können, taugt Hafer nur bedingt zum Brotbacken und wird anderen Mehlen beigemischt. Schuld ist der geringe Gehalt an Klebereiweiß, das dem Teig Struktur verleiht. In reiner Form kann man die gesunden Inhaltsstoffe aber in Haferflocken genießen.
Dass man Einkorn neben Emmer und Dinkel zu den Urgetreidearten zählt, ist kein Zufall. Schon vor 10.000 Jahren verarbeiteten Menschen in Vorderasien Einkorn zu Mehl. Sein Name leitet sich von der besonderen Anordnung der Körner an der Ähre ab: Während man bei modernen Weizensorten bis zu fünf Körner pro Spindelstufe findet, sind es beim Einkorn nur ein bis zwei. Das lässt schon auf sein größtes Manko schließen, den geringen Ertrag. Entsprechend bescheiden sind die Anbauflächen und seine Bedeutung in Deutschland. Dabei hat Einkorn viel zu bieten. Das Mehl eignet sich gut zum Backen und verleiht Brot und anderem Backwerk eine attraktive Gelbfärbung. Zudem findet man im Mehl viele essentielle Aminosäuren, Mineralstoffe und Vitamine.
Text: Jürgen Beckhoffer
Type 405, Type 550, Type 1050 – dieser Hinweis fehlt auf fast keiner Mehltüte. Aber was bedeutet er? Kurz gesagt nennt die Typenzahl die Menge an Mineralstoffen in Milligramm, die in 100 Gramm Mehl enthalten ist. Je größer die Zahl, desto mehr Schalenanteile des Korns wurden vermahlen und desto gesünder das Mehl. Aber: Mit steigender Typenzahl wird das Mehl immer dunkler. Außerdem lässt sich Mehl mit hohen Typenzahlen schlechter verbacken, weil es langsamer Flüssigkeit aufnimmt. Vollkornmehl hat keine Typenzahl. Grund: Die Menge an Mineralstoffen schwankt bei Vollkornmehl zu stark.